Tantum dic verbo
LAMM DER SEELE

 

So bleibe

atemstiller Hauch,

zerreibe

innerlicher Dornenstrauch

des Herzens Arg.

Verstehe,

die Erde treibt zu viel,

hat Kraft genug,

erfüllter Geist, der gleich ihr trug,

wie Blüte, daß sie duldend ruht,

die Seele barg,

bewegt der Dornen Spiel

mit Wehe.

So bleibe,

so bleibe Wehe gut.

 

Das treue Auge sieht,

wie sich der Erde Los vollzieht,

und wird vom Geiste bloß.

 

Und Gut und Bös verläßt der Seele Schoß.

 

Wie aus dem Paradies,

das Mensch und Tier zugleich verließ,

die Gier,

wie aus der Glut erhitzt

die falsche Zier,

so ungehemmt,

kein Glied mehr, das sich seltsam stemmt,

so wie die Erde, was sie treibend bringt,

während des eignen Laufs verschlingt,

so fällt der Tau und quillt,

so geht die Erde in ihr eigen Bild,

das innre Gut

unstillbar aufgeritzt,

ein Tropfen Blut

quillt ab im Schlund.

 

Der leere Mund,

der Worte nicht mehr kund,

das tiefe Meer

hebt seine Wellen minder schwer

und ungenützt,

der Geist geronnen im Geblüt

zehrt im Gemüt

bis auf der Seele Grund.

 

Das ganze Wesen nun zum Hauch verarmt

den Willen nicht erbarmt,

das Tier, das nicht besitzt.

 

Die Stunde wechselt um,

der Wille stumm,

der am bewegten Geiste mitgenoß,

vollzieht das vorgeschaute Opferlos:

Mensch, Pflanze, Tier,

geschieden jetzt von allem hier

außer deinem Bild,

das dir nicht gilt;

der Geist hat Kraft genug,

den der Wille trug,

was der Seele frommt,

wo sie aus der Knospe kommt,

der Ort,

wo sie leidet, ist ihr Hort.

 

Das Tier wird nimmer müd,

wenn die Seele flieht.

Seele, Erde, Bild,

dein Wesen in Gefahr gestillt

willigt umsonst zum Leiden ein,

muß mild aus dir gebrochen sein.

 

Widerspiel des Erdenrunds,

das Auge füllt sich mit Geduld,

in sich gekehrt,

wie der Wolf das Lamm verzehrt,

doch uns

nur dunkler überfällt die dunkle Schuld.

 

(3./4.12.1916)