Tantum dic verbo
LUCIFER

 

1

 

Die Morgenluft geht mild,

das Licht hält jedem Dunkel seinen kleinen Schild;

doch sieh, aus weiter Höhe fließt das Bild,

das mit dem Tau zum dunklen Rasen quillt.

 

Der Strauch hat sich berankt.

Bis bald der Wind in allen jungen Zweigen schwankt,

was macht, daß mir das Herz so heftig krankt,

weil schon der Strunk erstarrt und nicht mehr wankt!

 

Wie weit es auf mich zielt,

das weiße Licht erschüttert, daß der Stamm sich rankt.

Neid auf die Erde, die dem Abfall dankt,

ich falle mit dem Schild.

 

(13.7.1916)

 

 

2

 

Brich der Seele Widerstand,

nimm ihr, was verwirkt,

bis in Rändern eingespannt

sich kein Blut mehr birgt.

 

Immer tiefer stockt dein Los

und im Keim vergrämt

nur in Schulden wirst du bloß

und das Werk gelähmt.

 

Quelle im vergoßnen Blut

ewig nicht verdirbt,

eignen Samens wächst die Brut,

daß der Wurm nicht stirbt.

 

Draußen im gewiesnen Gang

alles geht vorbei,

nur die Erde wittert bang

einer Seele Schrei,

 

daß er dir mit letzter Macht

innerst widerbebt:

Dauer hab ich nicht vollbracht,

doch die Seele lebt.

 

Stürzet sich das alte Joch,

grimmig überflammt

triumphiert Erkenntnis noch:

Ich bin verdammt.

 

(22.8.1916)