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Konrad Weiß: Widmungen und Gelegenheitsgedichte

Widmungen und Gelegenheitsgedichte

 

 

 

Vorspruch

 

Wehrlos reiche Frucht der Jahre,

 

die noch in der Zukunft dämmert,
unberufbar durch die wahre
treue Sinnschaft doch der Jahre,
ob sich Recht durch Sinn befahre,
Antwort laut entgegenhämmert,

 

Frucht im Sturm, die also hämmert.

 

Wehrlos, doch in nichts vernichtet,
Sinn im Echo fortbenommen,
wachsend mit dem Klang der Trommen
laut wird unser Herz gerichtet,
wenn wir durch die Pforte kommen.

 

Laute Zukunft, die noch dämmert!

 

Echo wächst vor jedem Worte;
wie es in den Jahren rüttelt,
wird die Sinnfrucht durchgeschüttelt,
wie ein Sturm vom offnen Orte
hämmert es durch unsre Pforte.

 

(31.12.1932)

 

 

* * * * * * * *

 

Zum Neujahr 1932

 

Für Paul Cossmann

Denn es entrinnt, was auch die Lippe spricht,
ihrer Vergangenheit die Zukunft nicht,
und was der Sinn auch überholt und will,
die innerste Erkenntnis wartet still,
sie hat nicht Milde, denn von uns gemacht,
ward sie der Raum, der in uns uns bewacht,
was ihr entging und was man mit ihr sinnt,
vor ihrer Offenheit wird alles blind,
das wird wie Licht von eines Pfluges Schar,
wenn sie geöffnet wird, in jenem Jahr.

 

(Dezember 1932)

 

 

* * * * * * * *

 

Für Paul Cossmann

Das ist wie Schrift der Zeit gerechter Bann,
daß, was sie bringt, sie nicht mehr löschen kann.

 

(Dezember 1930)

 

 

* * * * * * * *

 

Für Paul Cossmann

In Zerwürfnissen der Zeit,
wie sie unser Herz durchdrangen,
Wunder hält die Seele weit
nie gekommen, nie vergangen.

 

 

* * * * * * * *

 

Weihnachtsspruch

 

Für Heinrich Held

Was dieser Jahre Inhalt wird,
die Zukunft weiß es, die nicht irrt;
unendlich schließt sich Mensch und Ding
in einen selbstgeschaffnen Ring
und jede Zeit bestellt ihr Haus
und schließt sich ein und schließt Gott aus,
doch jeder Zeit Regierungsplan
fängt mit dem Kind von neuem an.

 

 

* * * * * * * *

 

Und heute?

 

Für Josef Dünninger

Und wendet sich die deutsche Zeit,
die Kreatur hat eine Kunde,

 

es dringt zuvor ihr aus dem Munde
wie Ahnung, daß der neue Wald bereit.

 

Der wie aus einem Walde lebt,
der Sinn zuvor im Echo schwebt.

 

(16. Mai 1933)

 

 

* * * * * * * *

 

Für 1937

 

1

 

»Der ist dem eignen Wesen gut,
der stets das Nah- und Nächste tut.«
So sagt wohl, daß er leben kann,
und daß er tätig ist, der Mann.
Dann fort von der geringen Mitte
lenkt es uns die weitren Schritte.
Wir stehen in dem großen Ringe,
sinnend um die deutschen Dinge.

 

2

 

Daß es weiter uns geleite
und im Dunkeln vor uns schreite,
wende, wie wir nicht gedacht,
uns mit seiner stillen Macht
Weg in Weg! Und wie wir trauen,
soll es weiter auf uns schauen!

 

(Dezember 1936)

 

 

* * * * * * * *

 

Für Peter Suhrkamp

Der, in Zeitschaft eingestuft,
uns in seine Weihnacht ruft:
alter Menschheit dunkle Größe
wird durch Kindschaft klein und größer,
darum schickt der Welterlöser
Sterne um des Kindes Blöße.
Sinn, durch Dunkelheit gestillt,
sieht die Jungfrau in dem Bild.

 

(23. Dezember 1937)

 

 

* * * * * * * *

 

Für Johann Ludwig Döderlein

Wie nur ein Wesen endlich zu sich findet,
das sich im Schriftzug stets verlierend bindet,
und so geteilt in seines Gitters Haft,
was außerhalb, nur sehnlicher errafft;
die Schrift so zwischen uns und allem Grunde
ist das Gehege einer Weltenwunde.

 

(7. Juli 1939)

 

 

* * * * * * * *

 

Mosaik

 

Für Alois Elsen

Die Frucht, was eines Lebensjahres Lauf:
ein Ich, wo fängt es an, wo hört es auf?
Umschwung der Zeit, und die mit uns beginnt,
damit wir tun und also selbst nicht sind;
und rollt sich ab des Worts verbundne Kraft,
das frühe Bild steht auf wie Haft an Haft.

 

 

* * * * * * * *

 

Es ist am Sinne wie ein Fluch,
daß er mit Weges Willen geht –
der Weg als eines Rechtes Wille
verstößt des Bildes dunkle Fülle –
am Endgang eines Inbilds steht
das Recht im eignen Widerspruch.

 

 

* * * * * * * *

 

Fühlungslos und ganz verteilt
ist die Erde uns im Innen,
Wundermacht tritt an die Zinnen,
wo im Marke nichts mehr weilt.

 

(Dezember 1930)

 

 

* * * * * * * *

 

Für Carl Schmitt

Manchmal, wenn man sich vergißt,
nur den Schein der Sonne spürt,
hilflos von ihr angerührt,
merkt man sinnend, daß »zu sein«
und dafür der Dank allein
unsre ganze Habe ist.

 

Unsrer Welt miteingegoren
geht die Habe uns verloren.
Fragend, was ich sonst noch bin,
fahre weiter, dunkler Sinn!

 

 

* * * * * * * *

 

Für Paul Adams

Wär auf seinem ersten Grunde
glücklich einst der Mensch geblieben,
brauchte heut er nicht zu reisen.
Doch der Sinn erst ungeheißen
sinnlos in die Welt getrieben
findet dann ein Kind zum Bunde.

 

 

* * * * * * * *

 

Für Alexander Heilmeyer

Von Stamm und Wuchse echt und froh,
weil die Natur uns fröhlich macht,
doch wandert man nicht immer so
im leichten Gang dahingebracht,
denn geht das Werk uns härter an,
dann bildet sich die unbekanntre Bahn,
die, was im Mark erst eingehegt,
das Bild von uns nach außen trägt;

 

es tut noch mehr als vorbedacht,
wer nichts von dieser echten Welt veracht.

 

(23 März 1932)

 

 

* * * * * * * *

 

Für Artur Hübscher

Wie wollte man den Sprachgeist necken,
da doch die Worte uns entdecken,
und oft ein Wort wie fast geneckt
uns plötzlich durch das Herz erschreckt.

 

Doch die den Wortgeist an die Regel binden,
sie finden nicht, sind selber nicht zu finden;
die Sprache wird gebraucht, das Wort ist frei,
daß es wie ein verzehrendes Gebrauchen sei.

 

 

* * * * * * * *

 

Ins Buch geschrieben

 

Für Tim Klein

Wollte Tim den Raben haben,
hart im Holze eingegraben,
hier im Buche hat er ihn.

 

Unsre Lettern selbst sind Raben,
weil sie etwas Schwarzes haben,
mehr noch, weil in ihrem Lauf
unser Rabenherz bricht auf.

 

Lichtung muß ins Dunkle tauchen,
geht nicht wie ein stummer Schrei
alles Werk in sich vorbei,
doch laß uns die Sprache brauchen.

 

(nach 21. Januar 1929)

 

 

* * * * * * * *

 

Der neue Kalender

 

Das Jahr geht um, das neue will
mit neuem Geist sich weisen,
da duldet es den Dichter still
mit nichten, er muß reisen;
mit Reise hin, mit Reise her,
man sieht und wird gesehen mehr
am besten im Kalender.

 

Vorbei ist Krieg und Weltalarm,
wer liest nicht gern nun Strophen
vergnüglich und kalenderwarm
und blättert hinterm Ofen.
Doch rechts und links und gradeaus
sind Dichterbilder drin zu Haus
mit aufgesetzten Lichtern.

 

Man blättert sich vom Ende vor
und kommt in die Rubriken,
wo wandernd durch des Jahres Tor
bald voll und bald in Stücken
der Mond bald ganz, bald gar nicht lacht
und treulich seine Reise macht
am öftern in den Vierteln.

 

Du ganzes und du Angesicht
mit unverhohlner Laune,
was bleibst du nicht ein rund Gedicht
und schäkerst hinterm Zaune
mit Augen auf und Augen zu,
und gönnst dich nicht in guter Ruh
am Ofen unter Brüdern.

 

Der alte treue Weggesell
und bleibt er nicht zu Hause
und räkelt sich im Jahrgestell,
er spricht zum Augenschmause:
Gemach, mein Freund, und nicht gekränkt,
du siehst mich wirklich fast geschenkt,
doch niemals meinen Hintern.

 

(zwischen Oktober 1921 und Oktober 1929)

 

 

* * * * * * * *

 

Polemisches

 

1

 

Kosmisch

 

Der Mittelpunkt sprach einst zum Kreis:
Du hast mich sehr vonnöten,
denn wär ich, wie ein jeder weiß,
nicht, wahrlich deine Schönheit ginge flöten.

 

Ich, den auch dieser Kreis beglückt,
besinne mich der Wiederkunft
der apriorischen Vernunft,
die uns den Geist in Stücke stückt
und drüber spannt das knappste Joch,
inmitten aber sitzt des Zirkels Loch.

 

Ich schaue mir die Scheibe an.
Der Geist gewiß, wie wenn der Mond beschienen
als Vollmond lächelt, glatte Mienen
schenkt uns des Geistes kopflos ohne Fuß
allgegenwärtiger Radius.

 

Warum mich lächert, da in seinen Bann
heut alles Volk so glücklich eingeschrieben,
so sozial vom Mittelpunkt getrieben,
und wenn es wünscht, herzugelassen,
daß es mit seinem Kopf zu spassen
die Wahl hat und bestimmt das Joch.
Organisiert um dieses Loch
ruft zu dem Geist der Scheibe man,
dem Sektor, den man schieben kann:
Universaler Geist, der sittlich ist.

 

Wie wurdest du so wundermild,
mein katalaunisches Gefild,
das alte Blut, die Godegisel
bedeckt ein sanftes Geistgeriesel.

 

Das Christentum, daß man es nicht vergißt,
das Christentum ist ein Verein
zufrieden als ein Kreissegment,
beamtet und voll braver Seelen,
die sich am knappen Joche quälen,
nur ist es immer so allein.
Es möchte gern zum Kopfe schicken,
den löcherigen Geist zu flicken
mit reinem Seelenelement,
und möchte gerne Sektor sein.
Ach ja es liegt der Seelenkult
heut auf so manchem Christenpult.

 

O Karl Martell, auch du gewaltge Schnuppe
vom Frankenhimmel noch nicht platt und hohl,
ach fiele doch in diese Danaidensuppe
ein feuriges Gestirn vom Pol.

 

2

 

Klassisch

 

Voraussetzungen sind Punkt P, Kreis K,
man nimmt den Zirkel, gleich ist beides da,
zuerst der Punkt, Erlebnis, was es sei,
darum - der Inhalt sei dir einerlei,
der Inhalt einerlei?, ja doch nur zu –
den Kreis geschlagen, formvollendet sei der Kreis,
kein beßrer restlos gleicher Typus, wie man weiß,
nun seid ihr säuberlich getrennt, Gebild und du.

 

Gebild und ich?
Ja doch, die Form ist absolut
und du Persönlichkeit, der tut,
was er nicht ist, der Göttlichkeit
dem schönst erlebten Punkt verleiht,
legst mit dem Zirkel weg auch dich.

 

Auch mich?
So steht die Erde also auf dem Punkt...?
Nein, um den Punkt, und wenn sie nicht entläuft,
wenn du dich selber ganz im Punkt versteift,
erlebst du zeitlos groß und feierlich
anthroprozentrisch du dich Punkt.

 

Wie wird mir doch so transversal
faustisch zu Mut mit einem Mal.
Nicht wahr, du kümmerliches Ich,
es geht dir besser ohne dich?

 

Ja wirklich, der Azur verstummt,
seitdem mein Seelchen nicht mehr brummt.
Ja wirklich, wirklich geht mirs gut –
wie einer Fliege unterm gläsernen Hut.

 

Die Fliege, die sich erst ergötzt,
die nun im Bauch des Glases sitzt,
die Fühler und die Flügel wetzt
und schließlich witzt,
bis sie des Witzes Anfangspunkt vernommen:
Wie bin ich hier hereingekommen?
Wie hat sich kaum recht aufgeschaut
der Kreis, den ich zum absoluten Frommen
so oft durchschlagen und auch durchgeklommen
so scheitelschlüssig aufgebaut?
Und wo, zwar bin ich wohl ein Punkt,
doch während hier getrennt Gebild und Ich
schon in die faule Neige tunkt
der Flügel, wo ist nur mein Postament,
verschlingt das Echo feierlich
am End
auch mich?

 

 

* * * * * * * *

 

Politik

 

Er bleibt nicht länger mehr ein Kind neutral und schon,
eh man sich umsieht, radikal, die Mutter klagt,
und ärger selbst, als es dem Vater noch behagt,
geht fort vom alten Haus und widersagt der Sohn.

 

Es wird schon recht; so lang es regnet, läuft vom Dach
das Wasser und woher man kommt, die wackre Traufe,
als ob sie von sich selber unerschöpflich laufe,
beschüttet uns und spritzt dazu den Füßen nach,
verläuft sich eine Zeit geschäftig noch ums Haus,
dann scheint die Sonne drein und Hühner trinken draus.

 

Es hat, man hört die Botschaft zwischen Haus und Markt,
geregnet, und daß nie seit Menschgedenken eine
so reine Luft das Haus umstrich, als seis das seine
und unterm Himmelshaus, wer jetzt noch eingesargt
am alten baue, Egoist, daß fast er birst,
predigt dem Volk und sitzt der Sperling auf dem First.

 

 

* * * * * * * *

 

Justitia

 

Carl Schmitt im Gedenken an
Friedrich von Spee herzlich gewidmet

Recht war in jener irren Zeit
zum Inbild nicht mehr hingebogen,
nur Wort noch für sich selbst bereit,
im Augenlicht verbunden und im Kleid
zum Schein und starrer noch, wie nie betrogen,
vom Seufzen der Natur hinweggezogen,
nicht Frau mehr der Geschichtlichkeit,
von Engelköpfen wirr umflogen.

 

Wer horcht, Justitia, damit er horchend denke,
brechend zur Kreatur des Geists Gelenke?

 

Da brach das Wort wie Herzgeburt,
es löste seines Zwanges Gurt
und fand, Gespons der eignen Stimme,
im Widerschall Geschöpfe wie mit Seufzens Grimme,
die Schulterchen als kleinen Fittich schüttelnd,
»Trutz Nachtigall« an allen Fasern rüttelnd,
Gesang, daß wie in Hitzen flog
die Liebe, alles zu sich fürder bog.

 

Dies löste sich im lieben Bild der Kerzen
gelenklos über eines Mannes Herzen.

 

Doch die nicht überm Herzen frägt,
die rein es unterm Herzen trägt,
das Recht ist – Horcher erst, und dann es schaue,
und wie dein Heute schwer es dir vertraue –
im Inbild wirklich jener Fraue.

 

(1. Juni 1933)

 

 

* * * * * * * *

 

Romanische Kirchen am Rhein

 

Unverwandt und dicht am Ringe
ihrer menschgewordnen Gleiche
Anker sind hier Bau und Reiche
der Justitia der Dinge –

 

ankerhaft und die doch schweben,
Raum wie Blumen in der Mitte,
aus gering' und großem Leben
in das unnennbare Dritte.

 

(22 September 1939)

 

 

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Für Veit Roßkopf

Zeit dreht ihr Auge her, und wie sie läuft
und wie verlangender nur immer greift
ein Sinn nach ihr, ein blindes Weib, es trägt,
je mehr die Zukunft stürmt, so unbewegt
die Hände, wie ein Bild allein vermag,
so zwischen Mond und Sonne jeden Tag.

 

(Oktober 1938)

 

 

* * * * * * * *

 

Für Konrad Niermann

Die Zeit, je mehr sie wie ein dunkles Erz
sich sättigt, tönend, horchend, immer neu,
je mehr wir glauben, sie sei innerst treu,
nimmt uns als Kinder an ihr pochend Herz.

 

 

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Lebensregel

 

Eine Buchinschrift für den
sechzigjährigen Josef Hofmiller

Wer kann so in Ferne schauen,
der doch nah nicht Sichres hat,
wer gibt mehr doch, als er hat,
nur ein Kind, es gibt Vertrauen.

 

(26. April 1932)

 

 

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Winters

 

Für Sophie Köberle

Erst Natur und Kind und Schimmer
aller Weite, alles Schönen,
winters steht mit stillem Tönen
eine Rose in dem Zimmer.

 

 

* * * * * * * *

 

Zum Gockelhaus

 

Für Christiane Vorwerk

Täglich spricht der alte Hahn:
Krischan, kikriki, Krischan,
wachgerufnes Menschenkind,
hörst du, wie ein starker Wind,
wie ein Wind ist mein Getön,
früh am Tag ist alles schön.

 

(16. September 1933)

 

 

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Tag der Eltern

 

Fest unsres Lebens, das uns alt
erst recht und glücklich leben läßt,
liebender Weite goldnes Fest,
in Ruherfüllung Aufenthalt, –

 

zur Feier wird der stille Rest,
in jeder Müh mit Glück bezahlt,
Tor, tu dich auf, wie tief verhallt
am ernsten Wald das frohe Fest –

 

so Ihr uns alle nicht vergeßt.

 

 

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Für Elsa Bruckmann

Das Düster bringt und Wald-Dickicht
ins Auge um so tiefres Licht;
wenn uns das Leben schwer umringt,
des Kindes Seele stärker singt.

 

 

* * * * * * * *

 

Für Franz Schranz

Glückliches kam viel entgegen
uns auf vielen Reisewegen,
glücklicher der Sinn, der krause,
wäre noch ein Kind zu Hause.

 

 

* * * * * * * *

 

Akrostichon für die Leserin

 

1

 

Fenster werde jedes Blatt!

 

Erde, Glück uns nie vollbracht,
liegt durch unsre Schrift entsiegelt
in verlornes Licht geriegelt
zwischen Angeln Tag und Nacht;

 

in den Angeln nie doch satt,
tiefer Leser, geht dein Flügel
auf und ab, ein Hauch im Spiegel,
sei ein Fenster jedes Blatt!

 

2

 

Neujahrswort

 

Fremd wird uns die eigne Stätte,
ewiger, je mehr des Blickes
Leuchte göttlich unerfahren
ihres Glanzes Offenbaren
zeigt im Rückspiel andern Glückes,
ist in eines Werdens Bette
tragend aus der Schöpfung Tagen
angellos ein Hauch vom Sagen
seines Glanzes um die Wette.

 

(21. Dezember 1928)

 

 

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Zwei Spätsommerstücke

 

1

 

Für Karl Caspar

Nun baut die Welt sich zu
und sie wird offen.
Zu dieser Gegenwart im Kampf betroffen
blickt man in Ruh.

 

Ob weggelegter Teil vom Kleid
oder auch Ähre,
daß sich an seinen Ort verkehre
das Werkzeug ohne Neid,
was tust noch Wandrer du?

 

In deine Welt hinweggebogen,
sein Haus bleibt unbetrogen.

 

2

 

Zu einem Blumenstück

 

Für Maria Caspar-Filser

Die schweren Blumen, die der Sommer tut,
nimmt man mit heim.
Man fängt sie auf wie vieles Blut.

 

Dann wohnt in ihnen Kraft der Schwere
und trägt den unterschnittnen Keim
wie einen Orden zu des Hauses Ehre.

 

 

* * * * * * * *

 

Der Bildhauer

 

Für Eugen Senge-Platten

Die stille Größe wächst so unverirrt,
je mehr die Nähe schwer und wirklich wird.

 

 

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Die Geigerin

 

Für Alix Senge

Nun war der Ton so schwer und von sich fern
wie noch erinnrungslos ein einzler Stern.

 

 

* * * * * * * *

 

Für Franz Schranz

Ein Spiegel, der im Sturze nicht verfällt,
ein Wasser, das sich ewig trinkt und hält,
so unbegreiflich ist der Sinn der Welt.

 

 

* * * * * * * *

 

Für Veronika Schranz

Reime suchen Wort und Klang,
einer horcht auf unsern Gang,
Reim um Reim verfolgt sich reg,
einst war einer unser Weg.

 

 

* * * * * * * *

 

So kehrt der Sinn in seine Ohnmacht ein,
so bricht die Sonne in des Wassers Schein
verzagt ein Herz, erglüht ein edler Stein.

 

 

* * * * * * * *

 

Der unbekannte schwere Schritt der Zeit
bleibt unsres Wesens treuestes Geleit.

 

 

* * * * * * * *

 

Zeit und Geist und Alter gehen,
Sinn bleibt mit dem Kinde stehen.