Aloysius Bertrand: Gaspard de la Nuit. Aus dem zweiten Buch: Das alte Paris

DER ABENDGOTTESDIENST

Zu weihnachten füllt sich die kirche wenn es dunkel
Wird mit trappeln von schritten und kerzengefunkel.

Victor Hugo (Die Gesänge der Dämmerung)

Dixit Dominus Domino meo: Sede a dextris meis.

(Vespergottesdienst)

Dreißig mönche, blatt für blatt ihre psalter durchhechelnd die genauso schmierig wie ihre bärte waren, lobten Gott und lasen dem teufel die leviten.

"Madame, Eure schultern sind ein strauß von lilien und rosen." Und wie der ritter sich neigte, blendete er seinen knappen mit der spitze seines degens.

"Spötter, zierte sie sich, treibt Ihr Euer spiel um mich abzulenken? Ist das die Nachfolge Christi was Ihr da lest, Madame? — Nein, es ist das Brevier von der Liebe und Galanterie."

Aber der gottesdienst war zu ende. Sie schloß ihr buch und erhob sich von ihrem stuhl. "Gehn wir, sagte sie, genug gebetet für heute."

Und mir abseits unter der orgel kniendem pilger, mir kam es vor als ob ich die engel melodisch vom himmel steigen hörte.

Ich sog von fern etwas weihrauchduft ein, und Gott erlaubte daß ich die ähren des armen hinter seiner reichen ernte auflas.

 

 

(II, 6)