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Giacomo Leopardi: Gespräche aus den Kleinen moralischen Werken

GESPRÄCH ZWISCHEN EINEM KOBOLD UND EINEM GNOM

Kobold: Oh, du hier, söhnchen des Sabazios? Wohin geht es?

Gnom: Mein vater hat mich geschickt, herauszukriegen was zum teufel diese gauner von menschen vorhaben; denn er hegt einen großen argwohn, deswegen weil sie uns seit langer zeit keine sorge mehr machen, und in seinem gesamten reich sieht man nicht einen. Er befürchtet daß sie irgendeine große sache gegen ihn vorbereiten, wenn anders es nicht in gebrauch gekommen ist für vieh zu verkaufen und zu kaufen, nicht für gold oder silber; oder wenn die zivilisierten völker sich nicht mit wechseln statt münzen zufriedengegeben haben, wie sie es öfter taten, oder mit rosenkränzen aus glasperlen, wie es die barbaren tun; oder auch wenn die gesetze Lykurgs nicht wieder in kraft getreten sind, was ihm am wenigsten glaubhaft scheint.

Kobold: "Vergeblich wartet ihr: tot sind sie alle", lautet der schluß einer tragödie in der alle personen sterben.

Gnom: Was willst du damit sagen?

Kobold: Ich will sagen daß die menschen alle tot sind, und die rasse untergegangen ist.

Gnom: Oh das ist ein fall für die zeitungen. Aber bis jetzt hat man doch nicht gesehn daß sie darüber schreiben.

Kobold: Dummkopf, denkst du nicht daß, wenn die menschen tot sind, keine zeitungen mehr gedruckt werden?

Gnom: Das ist wahr. Aber was werden wir tun um die neuigkeiten der welt zu erfahren?

Kobold: Was für neuigkeiten? Daß die sonne auf- und untergegangen, daß es kalt oder warm ist, daß es hier oder da geregnet oder geschneit oder der wind geweht hat? Denn, da die menschen fehlen, hat die Fortuna sich die binde abgenommen, und, die brille aufgesetzt und das rad an einen haken gehängt, sitzt sie mit verschränkten armen da, die dinge der welt betrachtend ohne noch die hände dareinzumischen; es finden sich weder könig- noch kaiserreiche mehr die sich aufblähten und platzten wie die blasen, weil sie alle verraucht sind; es werden keine kriege geführt, und die jahre gleichen sich wie ein ei dem anderen.

Gnom: Auch wird man nicht wissen können den wievielten wir haben, weil keine kalender mehr gedruckt werden.

Kobold: Das ist nicht schlimm, denn der mond wird deshalb den weg nicht verfehlen.

Gnom: Und die tage der woche werden keine namen mehr haben.

Kobold: Was, hast du angst daß sie nicht kommen wenn du sie nicht beim namen rufst? Oder denkst du vielleicht, da sie vergangen sind, sie zurückkehren zu machen wenn du sie rufst?

Gnom: Und man wird sich nicht die zahl der jahre merken können.

Kobold: So werden wir uns auch nach der zeit für jung ausgeben; und indem wir die vergangene zeit nicht messen, bereiten wir uns weniger kummer deshalb, und wenn wir ganz alt sind werden wir nicht von tag zu tag den tod erwarten.

Gnom: Aber wie sind sie ausgestorben, diese schlingel?

Kobold: Teils unter sich krieg führend, teils seefahrend, teils einander aufessend, teils sich ermordend, nicht wenige mit eigener hand, teils im nichtstun verfaulend, teils sich den kopf über büchern zerbrechend, teils prassend, und in tausend dingen ausschweifend; alle wege erprobend schließlich, gegen die eigne natur zu handeln und ein schlimmes ende zu nehmen.

Gnom: Jedenfalls will es mir nicht einleuchten daß eine ganze gattung von lebewesen plötzlich verschwinden kann, wie du sagst.

Kobold: Du der du so bewandert in geologie bist, müßtest wissen daß der fall nicht neu ist, und daß verschiedene arten von tieren früher vorkamen die heute nicht vorkommen, außer wenigen versteinerten knochen. Und gewiß haben jene armen kreaturen keine der vielen kunstfertigkeiten angewandt, die, wie ich gesagt habe, die menschen benutzt haben um unterzugehn.

Gnom: Es sei wie du sagst. Gern hätte ich daß ein oder zwei von dieser bande auferständen, und erführe was sie dächten wenn sie sähen daß die andern dinge, obwohl das menschliche geschlecht verschwunden ist, noch dauern und fortfahren wie früher, als sie glaubten daß die ganze welt nur für sie erschaffen und erhalten wäre.

Kobold: Und sie wollten nicht verstehen daß sie für die kobolde erschaffen und erhalten ist.

Gnom: Du redest wahrhaftig koboldisch, wenn du im ernst sprichst.

Kobold: Warum? ich spreche sehr wohl im ernst.

Gnom: Geh, närrchen, hör auf. Wer weiß nicht daß die welt für die gnomen erschaffen ist?

Kobold: Für die gnomen, die immer unter der erde bleiben? Oh das ist das komischste was man hören kann. Was bedeuten den gnomen die sonne, der mond, die luft, das meer, das land?

Gnom: Was bedeuten den kobolden die höhlen aus gold und aus silber, und der ganze körper der erde außer der oberen haut?

Kobold: Schön und gut, lassen wir diesen streit, was sie bedeuten oder nicht bedeuten, auf sich beruhen, denn ich halte es für sicher daß auch die eidechsen und die fliegen glauben daß die ganze welt besonders für den gebrauch durch ihre art geschaffen sei. Und deshalb bleibe jeder bei seiner ansicht, die niemand ihm austreiben würde: und ich für meinen teil sage dir nur dies, daß, wenn ich nicht als kobold geboren wäre, ich würde verzweifeln.

Gnom: Das gleiche würde mir passieren wenn ich nicht als gnom geboren wäre. Nun wüßte ich gerne was die menschen über ihre anmaßung sagen würden, derentwegen, neben anderem was sie diesem und jenem antaten, sie sich mit tausend armen in die tiefe wühlten und uns mit gewalt unsern besitz raubten, wobei sie sagten daß er dem menschengeschlecht gehöre, und daß die natur ihn ihm zum scherz versteckt und dort unten vergraben habe, weil sie probieren wollte ob sie ihn finden und ausgraben könnten.

Kobold: Kein wunder, wenn sie sich nicht nur einredeten daß die dinge der welt keinen anderen zweck hätten als ihnen zu diensten zu sein, sondern auch annahmen daß alle zusammen, neben dem menschengeschlecht, eine kleinigkeit wären. Und ihre eigenen wechselnden geschicke nannten sie weltrevolutionen, und die geschichten ihrer völker, weltgeschichte: obwohl man, auch innerhalb der grenzen der erde, vielleicht ebensoviele andere arten, ich sage nicht von geschöpfen, sondern nur von beseelten lebewesen aufzählen, konnte, wie es lebende menschen gab: welche lebewesen, die ausdrücklich für ihren gebrauch geschaffen waren, jedoch nicht einmal bemerkten daß die welt sich dreht.

Gnom: Auch die mücken und die flöhe waren zum nutzen der menschen geschaffen?

Kobold: Ja das waren sie; das heißt um sie in der geduld zu üben wie sie sagten.

Gnom: Wahrhaftig, was fehlte ihnen für eine gelegenheit die geduld zu üben, wenn es nicht die flöhe waren.

Kobold: Aber die schweine, nach Chrysipp, waren fleischstücke von der natur besonders für die küchen und speisekammern der menschen vorbereitet , und, damit sie nicht verwesten, mit seelen statt mit salz gewürzt.

Gnom: Ich glaube im gegenteil daß wenn Chrysipp ein bißchen salz anstelle von seele im gehirn gehabt hätte, er nicht auf eine solche dummheit gekommen wäre.

Kobold: Und auch dies ist spaßig: daß zahllose arten von lebewesen niemals von den menschen ihren gebietern gesehn oder gekannt worden sind; entweder weil sie an orten wohnten wohin jene niemals den fuß setzten, oder weil sie so klein waren daß es ihnen auf gleich welche weise nicht gelang sie zu entdecken. Und viele andere arten bemerkten sie erst in der letzten zeit. Ähnliches kann man über das geschlecht der pflanzen sagen, und von tausend anderen. Ebenfalls nahmen sie von zeit zu zeit, mittels ihrer fernrohre, einen stern oder planeten wahr, von dem sie bis dahin, über tausende und tausende von jahren, nie gewußt hatten daß es ihn gab; und sogleich schrieben sie ihn zu ihren übrigen gerätschaften: denn sie bildeten sich ein daß die sterne und die planeten, wie soll ich sagen, kerzenstümpfe von laternen wären, da oben angeheftet um den herrschaften, die nachts emsig beschäftigt waren, als leuchte zu dienen.

Gnom: So daß, im sommer, wenn sie jene flämmchen fallen sahen die in gewissen nächten durch die luft herunter kommen, sie gesagt haben werden daß irgendein geist im dienst der menschen die sterne putzen ging.

Kobold: Aber nun da sie alle verschwunden sind, fühlt die erde nicht daß ihr etwas fehlte, und die flüsse sind es nicht müde zu fließen, und das meer, obgleich es nicht mehr der schiffahrt und dem verkehr zu dienen hat, sieht man nicht austrocknen.

Gnom: Und die sterne und die planeten versäumen nicht auf- und unterzugehn, und haben keine trauerkleidung angelegt.

Kobold: Und die sonne hat sich nicht das gesicht mit rost überschmiert; wie sie es, nach Vergil, beim tode Caesars tat: worüber sie glaube ich soviel schmerz verspürte wie die statue des Pompeius.