... au tapis-franc nous étions réunis.
L. Protat
Obwohl ich mir noch am vortag fest vorgenommen hatte zeitig nach hause zurückzukehren, war ich gerade damals noch später heimgekommen: am tag danach gegen mittag.
die nacht überfiel mich im bett hingestreckt. ich hatte das zeitgefühl verloren. ich würde, ohne die geräuschvolle ankunft eines briefes, dessen empfang unbedingt quittiert werden mußte, wie ein stein weitergeschlafen haben. aus dem schlaf gerissen bin ich mißmutig, mürrisch, übellaunig. ich unterschrieb nicht. ich brummte nur man möge mich in ruhe lassen.
ich nickte wieder ein, doch nicht für lange. der elende brief stellte sich abermals ein, begleitet vom grellen licht einer lampe. der schelm von einem postboten hatte es für angebracht gehalten statt meiner mit eigener hand zu unterschreiben. ich war ihm nicht dankbar.
ich hasse briefe. ich erinnere mich, solange ich lebe nur einen empfangen zu haben, von meinem guten freund Uhry, der mir eine günstige nachricht brachte. ich habe ein grauen vor briefen. damals verbrannte ich sie ohne sie zu öffnen.
das war das schicksal das auch den eben angekommenen erwartete. da ich die schrift kannte, erriet ich den inhalt. ich wußte den faden sulz aus ratschlägen und vorwürfen, der mir so ziemlich jeden monatsanfang von zu hause aufgetischt wurde, auswendig; ratschläge mannhaft den weg der arbeit einzuschlagen, vorwürfe daß ich es noch nicht über mich gebracht hatte, ihn endlich einzuschlagen. und zum schluß der unvermeidliche wunsch, Gott möge mich in seiner heiligen obhut behalten.
amen! in dem kläglichen zustand jedoch, in dem ich mich befand, wäre es über meine kraft gewesen mich auf irgendeinen weg zu machen. nicht einmal im bett konnte ich mich rühren. lendenlahm und mit ausgeleierten gelenken schien es mir daß ich die konsistenz einer sülze erlangt hatte. in meinem umnebelten hirn keimte die furcht mich habe der schlag getroffen.
nein, doch am ende hatte es mich überwältigt. seit einem monat, stickum und ohne unterbrechung, vertrauensvoll und überlegt, hatte ich mich dem trunk, der ausschweifung, dem spiel ergeben. in den letzten jahren war ich schwer von den umständen geprüft worden; mein kleines boot hatten hohe wogen bedrängt. ich hatte mich schlecht verteidigt und, von allem maßlos angeekelt, getrachtet in einem lasterhaften leben vergessen zu finden.
ich war nur etwas überstürzt vorgegangen und fand mich bald gezwungen die waffen zu strecken. die kräfte verließen mich, an jenem abend befand ich mich in einem zustand so jämmerlicher schwäche, daß ich nicht geglaubt hätte aufwachen zu können selbst wenn das haus feuer fing. aber plötzlich stand ich aufrecht mitten im zimmer und sah erschreckt auf die uhr. mir war eingefallen daß Pantazi mich zum essen eingeladen hatte.
was für ein glück daß ich aufgewacht war; großes glück! ich betrachtete den elterlichen brief jetzt dankbar; ohne ihn hätte ich die verabredung mit meinem teuersten freund verpaßt.
ich zog mich an und ging. es war, gegen ende des winters, ein wetter zum heulen. obwohl es nicht geregnet hatte, war alles naß; die dachrinnen trieften, die zweige der laublosen bäume tropften, von stämmen und gittern sickerten wie kalter schweiß dicke tropfen herab. das ist das wetter das am meisten zum trinken anregt; die wenigen passanten die im nebel auftauchten waren fast alle angesäuselt. ein lulatsch der aus dem gang eines wirtshauses trat schlug hin und stand nicht mehr auf.
ich wandte angeekelt den kopf ab. da die für jenen abend ausersehene kneipe ausgerechnet in der Covacistraße war, nahm ich einen fiaker, vernünftigerweise, denn bei meiner ankunft waren die andern geladenen bei der zweiten ţuikă, und der gastgeber bei der dritten. ich zeigte mich verwundert daß alle sich so zeitig eingestellt hatten; Pantazi aber erklärte mir daß er geradewegs von zu hause gekommen sei, und Paschadia mit Pirgu, auch sie geradewegs, aus dem "klub", da das wetter zu schlecht war um sich noch beim aperitif aufzuhalten.
Pantazi bestellte noch eine runde ţuikă. aber die gute laune die wir uns beim anstoßen wünschten fehlte gänzlich. ich fürchtete wieder einzuschlafen. im saal wo die groben vergnügungen der krämer hitziger zu werden begannen — es war sonnabend — bot unser tisch den anblick eines leichenschmauses.
der borschtsch mit sahne und grüner paprika wurde schweigend geschlürft. keiner der tischgenossen hob die augen vom teller. besonders Pirgu schien von finsterer laune gequält. ich hätte das schweigen gebrochen wenn die musikanten nicht gerade einen walzer angefangen hätten der eine der schwächen von Pantazi war, einen langsamen, wollüstigen und traurigen, beinah düsteren walzer. in seinem geschmeidigen wiegen flackerte sehnsüchtig und unendlich schwermütig eine so herzzerreißende leidenschaft daß selbst die lust ihm zuzuhören mit schmerz gemischt war. sobald die saiten ihre bittere enthüllung zu singen begonnen hatten, war vor dem tiefen zauber der melodie der ganze saal verstummt. immer verhaltener, immer tiefer, immer leiser, von wehmut und enttäuschungen kündend, verirrungen und qualen, gewissensbissen und reue, klang, in sehnsucht ertrunken, das lied aus, erstarb, schluchzend bis zum schluß, verloren, ein zu später und vergeblicher ruf.
Pantazi wischte sich die feuchten augen.
— ah! sagte Pirgu zu Paschadia, indem er einen schmachtenden blick und eine süßliche stimme annahm, ah! mit diesem walzer möchte ich Sie zur letzten ruhestätte geleiten, so bald wie möglich. ich glaube daß Sie mich nicht mehr lange auf diesen festtag meiner jugend warten lassen werden. wie schön wird das sein, wie schön! und ich, betrunken, begleitet von nene Pantazi, werde der betrübten versammlung heiße tränen auspressen, wenn ich in bewegenden worten von meinem ewig unvergeßlichen freund abschied nehme.
Paschadia sagte nichts.
— ja, fuhr Pirgu fort, stimme und blick noch umflorter, es wird so schön werden! ich werde Ihre orden auf einem kissen tragen. und wenn man Sie in sieben jahren, beim großen requiem, ausgräbt, ich wette daß man Sie noch immer geputzt, steif und schnieke finden wird, ohne ein einziges weißes haar, in quecksilber und spiritus eingelegt wie eine paprika in salz und essig.
aber Paschadia hörte ihm nicht zu, er war mit den gedanken woanders. diesmal kam Pirgu davon, was mich ärgerte, denn ich konnte ihn nicht ausstehen.
ich lebte von jugend auf allein und auf mich selbst gestellt in Bukarest und hatte mich gehütet mich irgendeiner gruppe anzuschließen, so daß Gorică Pirgu niemals zu dem beschränkten kreis meiner bekannten, die alle sorgsam ausgesucht waren, gehört hätte, wenn er nicht der unzertrennliche gefährte Paschadias gewesen wäre, den ich grenzenlos verehrte.
Paschadia war ein phänomen. ein spiel des zufalls hatte ihn mit den vollkommensten eigenschaften ausgestattet, die das menschliche gehirn haben kann. ich habe einen gutteil jener genauer gekannt, die für zierden des landes gehalten werden; bei sehr wenigen von ihnen aber habe ich soviele hervorragende eigenschaften in so wundervoller ausgewogenheit beisammen gesehen wie bei diesem ungerecht behandelten, der sich willentlich und zu lebzeiten selbst dem vergessen geweiht hatte. und ich kenne keinen zweiten der soviele zu blinder feindschaft gegen sich aufgestachelt hätte.
ich hatte gehört daß er das zum teil seinem aussehen verdankte. was für ein schönes haupt hatte er gleichwohl! in ihm schlummerte etwas beunruhigendes, soviel gebändigte leidenschaft, soviel wilder stolz und grimmige feindschaft verrieten sich in den zügen seines welken gesichtes, im gelangweilten kräuseln der lippen, in den kräftigen nüstern, in jenem trüben blick zwischen schweren lidern hervor. und aus dem was er sagte, mit gedehnter und tonloser stimme, sprach mit bitterkeit ein tiefer ekel.
sein leben, aus dessen geschichte er selten etwas enthüllte, war ein grausamer früh begonnener kampf gewesen. von leuten von einfluß und stand abstammend, war er von geburt an verlassen, wurde von fremden erzogen, dann zum studium ins ausland geschickt. bei seiner rückkehr in die heimat hatte er sich von seinen angehörigen ausgeplündert und von aller welt links liegen gelassen, verfolgt, unterdrückt und verraten gesehen. was hatte man nicht gegen ihn angezettelt! mit welcher schreienden ungerechtigkeit waren seine arbeiten aufgenommen, die mühe von tagen und nächten seiner geopferten jugend, wie waren sich alle einig gewesen ihn totzuschweigen! aus den schweren heimsuchungen aller art die er in so vielen jahren des unglücks durchgemacht hatte und die einen riesen zu boden geschmettert hätten, ging diese eiserne natur doppelt gestählt hervor. Paschadia war kein mann der ergebung gewesen, sein selbstvertrauen und kaltes blut hatten ihn nicht in den schwärzesten augenblicken verlassen; beharrlich in der verfolgung des ziels hatte er die widrigkeit der umstände besiegt, sie geschickt zu seinem vorteil gewandt. wie er hatte es niemand verstanden zu warten und geduld zu haben, reglos hatte er am kreuzweg dem glück aufgelauert, es gepackt und ihm gewalt angetan um ihm das zu entreißen, was ihm normalerweise von anfang an ohne mühe und qual gebührt hätte. einmal so weit gekommen, hatte er sich selbst übertroffen, alle geblendet und verblüfft und, ein entsetzlicher schinder, aber mit handschuhen, sich die zügel schießen lassen. der weg zum ruhm öffnete sich ihm weit und eben, jetzt aber, da er nach allem trachten konnte, wollte er nicht mehr und zog sich zurück. ich vermutete daß diesem sonderbaren entschluß in gewissem maße auch die furcht vor ihm selbst zugrunde lag, weil Paschadia unter dem äußeren eispanzer ein leidenschaftliches, schwieriges, finsteres wesen verbarg, das sich bei aller beherrschung oft in schneidendem zynismus verriet. durch das gift das sich in seiner versteinerten seele angesammelt hatte, würde die macht ihn leicht gefährlich gemacht haben. auch hatte er weder einen glauben an tugend, an ehre, an das gute, noch mitleid oder nachsicht mit menschllichen schwächen, die ihm völlig fremd zu sein schienen.
sein rückzug aus der politik war gleichwohl weniger verwunderlich gewesen als die wandlung die sich in seiner lebensweise vollzogen hatte. in einem alter da bei den andern die reue beginnt hatte er, der stets als lebendiges beispiel für mäßigkeit gedient hatte, sich plötzlich der ausschweifung ergeben. war dies das zum-vorschein-kommen eines lebens das er schon vorher im verborgenen geführt hatte, oder die wiederaufnahme einer alten gewohnheit die der drang erfolg zu haben ihn eine lange reihe von jahren hatte ablegen lassen? — denn natürlich war es nicht daß eine solche häutung von heute auf morgen stattgefunden haben sollte. wie es kam, weiß ich nicht, aber selten ist mir ein so guter spieler, ein so geiler lüstling, ein so gewaltiger zecher vorgekommen. aber konnte man deshalb etwa sagen daß er heruntergekommen war? mitnichten. von schlichter eleganz, würdevoll in haltung und redeweise, war er abendländer und mann von welt bis in die fingerspitzen geblieben. als vorsitzenden einer erlauchten versammlung oder einer akademie hätte man keinen geeigneteren gefunden. jemand der ihn nicht gekannt hätte, würde, hätte er ihn abends, wenn er steif und ernst aus dem haus ging, vorbeikommen sehen, um nichts haben glauben wollen, zu welchen stätten des schmutzes und der niedertracht dieser stattliche herr unterwegs war, um dort bis zum morgen zu versinken. für mich hatte der anblick dieses lebens etwas bedrückendes, ich ahnte daß sich in ihm ein düsteres inneres drama abspielte dessen geheimnis unergründlich blieb.
wenn ich beim versuch die züge dieses edlen bildes einigermaßen wiederzugeben solange verweilte, dann weil ich nicht die gelegenheit versäumen wollte es vor meinen augen wieder aufleben zu lassen, denn sein andenken ist mir teuer. verschieden vom durchstreifer nächtlicher schlupfwinkel der Bukarester unzucht, lernte ich in Paschadia einen anderen mann kennen. aber dafür traf ich ihn woanders. einige schritte vom Podul Mogoschoaiei erhob sich in einer abgelegenen gasse, im schatten eines alten, blumenlosen gartens, uneinladend und düster, ein altes haus. ich war einer der wenigen privilegierten die die schwelle dieser kostbaren wohnung überschritten, in der sich bis in den letzten winkel die seele des hausherrn spiegelte.
ich fand ihn in seinem arbeitszimmer, einem ort der ruhe und sammlung, in den nichts von der außenwelt eindrang. wieviele unvergeßliche stunden hat mich, festgenagelt im lehnstuhl, in jenem zimmer mit verhangenen scheiben, das mit zunderfarbenem tuch ausgeschlagen und rundherum mit in die wände eingelassenen schränken umgeben war, das gespräch des gastgebers festgehalten! inhaltsreich und umfassend, verhalten und kunstvoll, ohne längen, umschweife und überflüssige worte, umfing es einen mit starken netzen, erstaunte, entrückte, verzauberte. Paschadia war gleichermaßen meister der feder, und hatte in seiner jugend gut gemalt. es war unglaublich wieviel er gelesen hatte. die geschichte kannte er wie niemand sonst, sie hatte bei ihm die angeborene gabe vervollkommnet, die menschen zu beurteilen, ohne sich zu täuschen; bei vielen hat er damals mitten im aufstieg ihren nahen, traurigen sturz vorausgesehen, und ich kann nicht vergessen wie ihm, wenn er die unheilverkündenden worte aussprach, die augen unheimlich funkelten. Paschadia Măgureanu! ich habe die sympathie die er für mich empfand als eine gunst der Vorsehung betrachtet und rühme mich, der schüler dieses großen, so stoischen empörers zu sein, bei dem ich von allen fehlern die die welt an ihm fand nur einen einzigen anzuerkennen bereit war — den aber als unverzeihlich: die freundschart mit Gorică.
Gore Pirgu war ein lump ohnegleichen. seine faden und dreisten narrenpossen hatten ihm den ruf eingebracht ein aufgeweckter kerl zu sein, zu dem — warum weiß man nicht — der, ein guter kerl zu sein, hinzugekommen war, obwohl er gut nur im bösen war. dieser tropf hatte die seele eines schinders und leichenträgers. von klein auf verdorben bis ins mark, spieler, schürzenjäger, mit allen kupplern und gaunern gut freund, war er der Benjamin des café Cases und der Cherubim der freudenhäuser. es war mir zuwider das wesen dieser verkommenen und bedauernswerten natur, die nur bei dem was schmutzig und verfault ist eine krankhafte anziehung empfand, eingehender zu ergründen. Pirgu hatte die sehnsucht nach dem lotterleben der zigeuner im blut, wie es einst bei uns war, mit seinen vorstadtliebschaften, gelagen in klöstern, schamlosen liedern, unflätigkeiten und zoten. zusammen mit dem kartenspiel, das sein gewerbe war, und den geschlechtskrankheiten, die ihn vor der zeit ausgelaugt hatten, waren das die einzigen dinge von denen er zu reden wußte, und auf denen die spaßigkeit gründete, mit der er diejenigen bezauberte die dummheit schätzen. und doch hatte er niemand anderen gefunden um ihn zu seinem gefährten zu machen, Paschadia, der ihn ansonsten offen verachtete, und ihn ohne erbarmen beleidigte und demütigte sooft sich die gelegenheit bot.
— schaun Sie mal, sagte er zu mir, lassen Sie nicht zu daß Ihr nachbar sich umbringt, sehn Sie, er verschluckt das messer.
tatsächlich bearbeitete Gorică voller eifer den gesottenen stör mit dem messer, wälzte den bissen in mayonnaise und steckte ihn ebenfalls mit dem messer tief in den mund. ich tat als ob ich nichts sähe und nichts hörte. Pantazi bückte sich um etwas unter dem tisch zu suchen.
— in ihren regeln, fuhr Paschadia fort, schreibt die gute und grundlegende erziehung vor: das messer nicht in gemüse und fisch, die gabel nicht in käse und auf keinen fall das messer in den mund. aber das gilt für vornehme menschen, bojarensöhne, nicht für flegel, gesindel. laßt das schwein wasser aus dem trog saufen!
Für Pirgu, der sich für unübertroffen in der kenntnis der sitten der großen welt hielt, gab es keine blutigere beleidigung. er nahm sich jedoch schnell zusammen und antwortete Paschadia hochmütig, daß er ihn vernichten würde.
— lassen Sie mich mit diesem unfug in ruhe, schnauzte er, sonst ziehe ich andere saiten auf. Sie sind ein alter narr ...
um die angelegenheit wieder einzurenken, befahl Pantazi den champagner zu entkorken, der nach dem brauch unserer gastmähler in großen gläsern serviert wurde. Pirgu ließ sich nur einen fingerbreit voll einschenken, dem er ungefähr einen liter mineralwasser hinzufügte, einen leichten sprudel. von allen vieren war er der einzige der das trinken nicht vertrug, man konnte sogar sagen, daß er eher so tat als trinke er, indem er sich mit gespritztem vollaufen ließ. dennoch kam es selten vor, daß er nicht vom morgen an betrunken war, und wenn er sich besoff, stellte er allerhand streiche an, nach deren ausführung er, hätte er nur ein bißchen anstand gehabt, sich hätte schämen müssen den leuten noch vor die augen zu treten.
wir stießen wie aus einem munde auf die gesundheit Pantazis an, unsres geliebten gastgebers, und schlürften mit wonne das erquickende getränk. Pirgu feuchtete sich nur die lippen an und verzog das gesicht.
— champagner ohne weiber, maulte er, ist keinen pfifferling wert.
die frauen waren jedoch ein- für allemal strikt von unseren gastmählern ausgeschlossen worden. alle versuche Goricăs die erlaubnis zu erlangen ein oder zwei freundinnen einzuladen waren vergeblich gewesen. Pantazi hätte gerne eingewilligt, aber Paschadia war unerbittlich geblieben. wir beschränkten uns darauf, den damen an den nachbartischen kurze begehrliche blicke zuzuwerfen; die sie, wie üblich, mit listigem äugeln beantworteten.
mit seinem trüben und düsteren blick zog Paschadia eine dralle jüdin aus, die vor ihm saß, etwas weiter weg. auch ich schloß mich dieser christlichen handlung an, da ich wußte, daß ich meinen großen freund durchaus nicht ärgerte. ihrer wundervollen östlichen schönheit in voller blüte bewußt, weiß und bleich wie eine wachsfigur, in der augen aus samt mit kaltem feuer zwischen seidenen wimpern brannten, blieb sie unbewegt, gleichmütig, im grenzenlosen dünkel des auserwählten volkes, so wie ihre vorfahren, wenn sie nackt auf sklavenmärkte verschleppt, oder später auf Torquemadas zugrollen gespannt wurden. da sie mit übergeschlagenen beinen saß, war ihr rock bis zu den knien hochgerutscht und ließ durch die durchscheinenden schwarzen strümpfe die blassen, makellos geformten waden sehen. als sie sich entschloß sie zu bedecken, geschah es ohne eile und ohne erröten. Pirgu bedrängte schamlos eine protzige, aufgedonnerte, unter der schminke rotgesichtige kaufmannsfrau. indem er sie mit halbgeschlossenen augen schmachtend anlächelte, hob er das glas, schlürfte anmutig, und leckte sich dann begehrlich die lippen. nur Pantazi beachtete niemanden. träumerisch wie immer verlor sein blick sich anderswo, sanft und traurig. er winkte nach mehr champagner.
aber Pirgu trieb den scherz zu weit. indem er das geleerte glas wie ein fernrohr vors auge hielt, warf er mit der andern hand der fetten kaufmannsfrau, die sich halb tot lachte, küsse zu. Paschadia riet ihm, sich zu mäßigen, damit er keinen ärger bekomme.
würde es dir angenehm sein, fragte er ihn, dich am kragen gepackt und hinausgeworfen zu sehen?
Pirgu sah ihn mit geringschätzigem mitleid an.
— Sie meinen wahrscheinlich daß ich bin wie Sie, daß man mich mir nichts dir nichts hinauswirft wie einen strolch, einen lumpen? wer kennt mich nicht, hier und überall, wer liebt mich nicht, wo bin ich nicht bei mir zuhause? wie um seine worte zu beweisen, erhob er sich und ging zum tisch der kaufmannsfrau, der er die hand küßte und ins ohr flüsterte, und machte eine runde auch zu den andern tischen, wobei er sich am längsten an dem der schönen jüdin aufhielt.
Raschelica hat mich gefragt, sagte er uns beim wiederkommen, wie ein so vornehmer mensch wie ich, ein bojarensohn, sich mit so gewöhnlichen leuten gemein machen kann? sie war wütend. ich habe sie gebeten, sich nichts daraus zu machen; der eine, hab ich ihr gesagt, ist ein elender verkommener greis, vor zeiten taugte er was, ist aber jetzt blöd geworden; der andere ist ein kind.
Paschadia schluckte und schwieg. ich folgte seinem beispiel. ich verhehlte nicht meine bewunderung, wieviele leute Pirgu kannte.
leute jeder art und jeden ranges, viele leute, alle leute. wirklich, wen kannte er nicht, wo war er nicht eingedrungen? in den verriegelten häusern der furchtsamen und gefürchteten kaufleute, in der gepanzerten festung der im überfluß schwelgenden juden, in den wackeligen hütten räudiger bauernschinder, überall wurde Gorică mit offenen armen empfangen, wenn auch nicht immer an der vordertüre. es bleibt erstaunlich, wie er nirgends abscheu und furcht einflößte, wie niemand sehen wollte daß in diesem mickrigen kläffer, der unter zähnefletschen kroch und wedelte, der neid eine niederträchtige und tollwütige bestie mit einem hang zur gehässigkeit, zum verletzen, zum bösen, die dem schicksal als werkzeug zur vernichtung und zerstörung zu dienen schien, wach hielt und unaufhörlich gegen jedermann hetzte. die gemeinheit scheute sich übrigens nicht sich zu bekennen, indem sie mit streichen prahlte, für die das gesetz zuchthaus oder irrenanstalt hätte vorsehen müssen.
seit der schulzeit brachte er seine freunde zu kranken frauen. bei solchen sachen erfreute er sich einer unerschöpflichen, teuflischen phantasie. aus der anstiftung zur ausschweifung, der er sich mit leib und seele ergeben hatte, hatte er eine sendung gemacht. in schachereien und gaunereien erfinderisch, war er der urheber des ruins so manchen reichen erbens und des falls etlicher frauen gewesen; dank seiner hatten bekannte namen sich mit schande befleckt. selten ereignete sich eine schweinerei in die nicht auch er verwickelt war, und oft nur aus einer unmenschlichen und unersättlichen lust seinen spott zur treiben, für die er vor nichts zurückschreckte: schnüffelei, verleumdung, klatsch, intrigen, anklagen, drohungen ein anvertrautes oder entrissenes geheimnis an die öffentlichkeit zu bringen, anonyme briefe — alles erschien ihm gleich gut, je nach bedarf. es entstand die frage, was Gore Pirgu noch hätte anstellen müssen um als schlechter kerl zu gelten?
geschmeichelt daß ich ihn bewundert hatte, brauchte ich ihn nicht zweimal zu bitten, zu erzählen was letztens der frau Mursă zugestoßen war. er wurde jedoch vom aufbruch Raschelicas unterbrochen. mit geschmeidigen schritten kam sie auf unseren tisch zu, um ihren mantel vom haken gleich daneben zu nehmen. Pirgu sprang ihr zu hilfe. sie war unübertrefflich, die Raschelica, und wundervoll zurechtgemacht; den abgegriffenen vergleich der frau mit der blume — einer schwarzen tropischen blume, voller gift und honig — rief unwillkürlich ihr warmer duft hervor, der sich, von betäubender leidenschaftlichkeit, bei jedem ihrer schritte verströmte. von nahem aber hatte sie, ohne daß ihre schönheit an glanz verlor, etwas abstoßendes, man spürte in ihr, mehr als in anderen frauen, Eva, die fremde, die unversöhnliche, ewige feindin, verlockend und todbringend. ihr ruhiger blick, der über unsere ecke hinstrich, hatte ein hartes funkeln das mit dem Paschadias zusammenstieß.
ihr folgte eine art von geck, mit krummem rücken und etwas lendenlahm, mit dunkel umränderten und glasigen augen und wangen die in einer ungesunden röte brannten. ein trockener husten quälte ihn unaufhörlich. in dem lächeln mit dem er sich von Pirgu verabschiedete, war etwas wie der schmerz eines abschieds für immer.
— das ist Mischu, raunte uns Pirgu zu. er machts nicht mehr lange, er verläßt uns. sie hat auch ihn fertig gemacht; zwei männer in drei jahren, abgesehen von denen die sie nebenbei noch verhackstückt hat. hut ab vor ihr, ein prachtvolles weib, bei meiner ehre! und zu Paschadia: na, auch Sie würden sich gern an sie ranmachen, glauben Sie daß es dazu bei Ihnen reicht? sprechen Sie, damit ichs weiß, damit ich ein wort für Sie einlege, es paßt sogar in meine absichten.
statt zu antworten, schlürfte Paschadia sein glas bis zum letzten tropfen aus.
— warum sollten Sie eigentlich zaudern? beharrte Pirgu, auch Ihnen läutet die totenglocke. als ob nicht alle welt wüßte, daß Sie seit langem Ihre hoffnung nur noch auf süßholz und pflaumenmus setzen. Sie sind am ende, sehn Sie zu daß Sie wenigstens glücklich sterben ...
unterdessen war in der ganzen wirtschaft eine lebhafte bewegung entstanden. viele erhoben sich vom tisch und stürzten zum ausgang. man hörte trompetenstöße, die feuerwehr fuhr vorbei. der bursche der uns bedient hatte sagte uns, daß es nichts gewesen sei: ein schornstein neben der kirche vom Alten Hof hatte feuer gefangen, es war aber gelöscht worden bevor die spritzwagen ankamen. da einige der anwesenden besitzer oder mieter von häusern in der nähe des platzes waren, hatten sie die fassung verloren bei dem gedanken, daß das feuer, so bedrohlich in jenen engen gassen mit seinen dicht an dicht stehenden gebäuden, sich auch bis zu ihnen ausgebreitet haben könnte.
das gespräch wandte sich dem Alten Hof zu, an den ohne die kirche mit dem grünem turm, die seinen namen trägt, sogar die erinnerung vergangen wäre. mit gewohnter kundigkeit zählte uns Paschadia so ziemlich alles auf, was er über jene wohnsitze der alten herrscher wußte. nichts von bedeutung wie es schien. wie das ganze viertel war der Hof oftmals abgebrannt und wiederaufgebaut worden und mußte eine ausgedehnte fläche bedeckt haben, da sich reste von gewölbefundamenten in der gesamten vorstadt fanden, zum beispiel unter der wirtschaft in der wir uns aufhielten. wie der Hof ausgesehen hatte, war leicht vorzustellen, er glich im großen ganzen den klöstern, mit komplexen aus vielen gebäuden, um das gesamte gefolge und die zigeuner unterbringen zu können, ohne einrichtung, ohne stil, mit anbauten, füllseln und flickwerk, in all ihrer häßlichkeit geeignet der niedertracht einer herrschenden clique, die aus hergelaufenem gesindel gezeugt und reichlich mit zigeunerblut durchsetzt war, als dekoration zu dienen.
ich fragte ihn, ob nicht in der unbeständigkeit der herren und der furcht vor überfällen der grund dafür zu suchen sei, daß man nicht auch bei uns prachtvoll und dauerhaft baute wie im westen? die noble freude am bauen hat manchen der Woiwoden nicht gefehlt; Brîncoveanu zum beispiel hatte auf seinen ausgedehnten gütern reiche höfe errichtet. er verneinte; die liebe zum schönen sei eines der vorrechte der völker hoher abstammung und unter diese könne das unsrige, das der zivilisation nichts gegeben hat, nicht gezählt werden. dann stürzte er sich auf Brîncoveanu, und indem er ihm die fürstliche parademütze abriß, die haube eines fürsten des Heiligen Römischen Reiches, die krone eines ungarischen komes und die kette des russischen andreasordens, malte er ihn uns mit wenigen strichen als einen durchtriebenen bulibascha, verräterisch und servil, — eine sklavenseele. daß auch er sich mit dem fieber zu bauen, zu pflanzen und zu schmücken angesteckt hatte, das die mächtigen seiner zeit heimsuchte, sei wahr, aber was sei von diesem so reichen unglücklichen, der damals herrschte als die stürmische blüte des barock auf dem höhepunkt war, geblieben? was hinterließ er? die säulen von Hurez, die vorhalle der Mogoschoaia-Kirche, das schloß von Potlogi, was sonst? und solch jämmerlichen und läppischen plunders wagten wir uns noch zu rühmen? es wäre nötig, ein- für allemal schluß zu machen mit diesen geschichten, weil das eine schande sei!
dieser ausbruch überraschte uns nicht. Paschadia, der alles was rumänisch war mit unbeugsamer härte betrachtete und beurteilte, ging vor erbitterung oft bis zur böswilligkeit. der haß der ungestillt in ihm brannte, wuchs und wirbelte damals gewaltig, ins riesenhafte, und erhitzte ihn wie eine glut, trug ihn empor wie eine woge. da man gar nicht leugnen konnte, daß er teilweise recht hatte, fand ich es überflüssig, mich zum verteidiger jener vergangenheit aufzuschwingen, deren vision meine feder eine wundervolle ikonenwand verdankte, die ich in meiner jugend mit sorgfalt und beinah andächtigem fleiß angefertigt hatte. es war auch gar nicht nötig, weil Paschadia von selbst seine strengen ansichten einigermaßen zurücknahm.
— es ist dennoch sonderbar, bekannte er, obwohl ich sie als kunstwerke sogar für belangloser halte denn als geschichtsdenkmale, kann ich jenen bescheidenen überresten einen eigenartigen zauber nicht absprechen. vor den unbedeutendsten bekommt meine fantasie flügel, ich fühle mich bewegt, tief bewegt.
— ich allein verstehe Sie, sagte Pirgu zu ihm, denn auch Sie sind eine ruine, eine verehrungswürdige ruine, aber keine von den guterhaltenen.
man lachte. auf diese weise unterhielten wir uns. der kult des Comus vereinigte uns seit etwa einem monat fast täglich zum mittag- oder abendessen. aber das wahre vergnügen fanden wir im reden, im gespräch das nur schöne dinge berührte: reisen, kunst, literatur; geschichte — geschichte vor allem, das im blau akademischer höhen schwebte, von wo es der witz Pirgus in den dreck warf. es machte einen traurig wie dieser feind des gedruckten buchstabens in seiner unwissenheit unbeteiligt blieb an dem was erörtert wurde. in Pantazi aber war Paschadia einem klaren verstand begegnet, einem gewappneten und freien geist; ich war ängstlich bemüht von ihrem lichtvollen austausch von meinungen und kenntnissen kein wort zu verlieren, und die tatsache, daß mir die aufzeichnungen geblieben sind, die ich sorge trug davon zu machen, tröstete mich, wenn sie mich auch nicht entschädigte, über alle verluste die ich seit dem krieg erlitt.
zu meinem großen bedauern mußte an jenem abend das gastmahl zeitig abgebrochen werden; Paschadia fuhr um mitternacht ins gebirge.
— ich werde ungeduldig, sagte er, den tag meiner rückkehr erwarten, auf daß wir uns wiedersehen bei mir. und zu Pirgu: wir werden auch eine kleine partie poker veranstalten, nicht wahr? — du lernst das spiel noch.
sofort bekam Pirgu einen fürchterlichen wutanfall, dem er durch einen in einem atemzug geächzten schwall von bezeugungen des abscheus luft machte, wobei er von kutscherflüchen zum gekeife von marktweibern und den verwünschungen von weißtüncherinnen überging. wir erfuhren daß Paschadia, der mit gehässigkeit Pirgu gern eins auswischte, ihn vor dem essen im spielcasino bei einer grandiosen partie bis auf den letzten heller ausgenommen hatte. Pirgu hatte fünfundzwanzig riesen verloren und war noch ebensoviel schuldig geblieben.
um ihn zu beruhigen, fragte Pantazi ihn, ob er geld brauche. Pirgu verneinte hochfahrend, was uns wunderte, sogar nachdem wir ihn aus einer tasche einen packen hunderter ziehen sahen. er hatte die ganze nacht in einem privathaus bei den Arnotenen chemin de fer gespielt und sich die taschen abgefüllt.
— das nicht, sagte Pirgu.
Pantazi zahlte, wobei er an die kellner und musikanten fette trinkgelder verteilte. wir brachen auf. aber am ausgang konnte die geschlossene kutsche, die auf Paschadia in dem engen gäßchen vor dem wirtshaus wartete, wegen eines knäuels von menschen, das unter geschrei und gelächter auf uns zurollte, nicht abfahren. mitten im gewühl kämpfte, brüllend wie ein wildes tier, eine frau mit drei kräftigen schutzleuten, die sie kaum bändigen konnten. als sie uns plötzlich fast in die arme fiel, wichen wir alle vier einen schritt zurück.
alt und verwelkt, ohne kopftuch und völlig zerlumpt, am einen fuß unbeschuht, erschien sie in ihrer entsetzlichen raserei wie eine ausgeburt der hölle. stockbesoffen wie sie war, hatte sie sich erbrochen und bemacht, was den haufen von tagedieben und gefallenen frauen, die ihr, "Pena! Pena Corcoduscha!" schreiend, das geleit gaben, mit toller freude erfüllte.
ich bemerkte daß Pantazi plötzlich zusammenzuckte und erbleichte. doch bei unserem anblick wurde die Corcoduscha von blinder wut gepackt. was wir zu hören bekamen würde die gottloseste seele erschüttert haben. selbst Pirgu blieb mit offenem munde stehn.
— hören Sie gut zu und prägen Sie sichs ein, raunte ihm Paschadia zu, Sie haben gelegenheit Ihre häusliche erziehung zu vervollständigen.
die schutzleute entfernten die trunkene. Pantazi hatte sich mit einem mädchen zu unterhalten begonnen, das den lebhaften und hochmütigen blick die ganze zeit lächelnd auf jenes traurige schauspiel der menschlichen erbärmlichkeit geheftet hatte, indem er sie fragte, ob sie wüßte wer jene unglückliche alte sei, die sich jetzt mitten auf dem podul niedergeworfen hatte wie ein bär und nicht mehr aufstehn wollte.
das ist Pena Corcoduscha, antwortete das mädchen. sie hat sich wieder betrunken. wenn sie nüchtern ist benimmt sie sich anständig, aber wenn sie sich besäuft ist sie schlimm.
nachdem er ihr etwas in die hand hatte gleiten lassen, fragte Pantazi das mädchen weiter aus. wir erfuhren, daß Pena in der nähe des Alten Hofs lebte, in der kirche am pangar saß und auf dem markt arbeitete. ihre hauptbeschäftigung war das waschen von toten. sie war vor langer zeit auch im irrenhaus gewesen.
mit großer mühe war es den schutzleuten gelungen sie hochzuheben. als sie sich auf den beinen fand und uns abermals bemerkte, geriet sie von neuem in zorn, und war nahe daran ihre freundliche begrüßung zu wiederholen; da man sie jedoch fortzerrte, verschluckte sie sich und ihre stimme verging in gestammel.
— Ihr krale, schrie sie uns trotzdem noch zu. krale vom Alten Hof.
ob jemand anders, aus einer früheren zeit, aus ihr gesprochen hatte, wer weiß? aber ich glaube daß nichts auf der welt Pantazi ein solches vergnügen hätte machen können wie diese vergessene, längst außer gebrauch geratene redensart. sein gesicht hatte sich erhellt, er konnte sie gar nicht oft genug aussprechen.
— es ist in der tat, bekannte Paschadia, eine der glücklichsten wortverbindungen, sie übertrifft die gleichbedeutende "Höflinge des Bronzepferds" aus der zeit Ludwigs des Dreizehnten. sie hat etwas ritterliches, mystisches. sie wäre ein wundervoller titel für ein buch.
— unglückliche Pena, murmelte Pantazi voll trauer, nachdem er eine weile geschwiegen hatte, armseliges geschöpf, wer hätte geglaubt daß ich dich noch einmal treffe? an was alles erinnerst du mich!
— wie, Sie kennen sie? fragte Pirgu erstaunt.
— ja, es ist eine alte geschichte; eine liebesgeschichte, und keine alltägliche. es war zur zeit des krieges von 77. ich glaube nicht daß die lebhafte erinnerung, die die Russen bei den frauen hier, frauen jeden standes, hinterlassen haben, schon verblichen ist. es war purer wahnsinn, auf der binsenmatte wie unter dem spitzenbaldachin bedeckte der rubelregen die begierige Danae. in Bukarest hatten die Russen ihr Capua gefunden. die damen hatten nur noch für die russischen offiziere augen. doch der, hinter dem sie alle wie toll herwaren, war Leuchtenberg-Beauharnais, der schöne Serghie, der neffe des kaisers. vergeblich aber erwarteten sie daß ihm das taschentuch hinfiel. denn der zufall hatte ihn von der ersten nacht an in die arme einer frau aus dem volk geworfen, und aus deren armen konnte er sich nicht mehr losmachen. sie war ein vorstadtmädchen, nicht allzu jung, ein wenig grau an den schläfen; ich kannte sie von den maskenbällen und gartenlokalen. der zauber dieses geschöpfs, das gewöhnlich mürrisch war und mehr eigenartig als schön, lag in den augen, großen, grünen, trüb-grünen augen, fisch-brühe-augen, wie der rumäne sie nennt, mit langen wimpern und buschigen brauen und etwas irrem blick. waren es andere reize die das netz knüpften in dem das herz des herzogs gefangen wurde? — vielleicht; es ist jedoch unbestreitbar daß, von beiden gleichermaßen empfunden, eine leidenschaftliche liebe zwischen der blume des feldes und dem märchenprinzen entbrannte, in dessen wesen sich vereint der glanz zweier kaiserkronen widerspiegelte. es war beschlossene sache gewesen, daß Pena nach dem krieg ihrem herrn und gebieter nach Rußland folgen würde. Leuchtenberg zog, um dort als kreuzfahrer zu sterben, zum Balkan. ich habe seinem leichnam bis zum Pruth das geleit gegeben. am abend des 19. oktober 77 passierte der leichenzug, von dessen wagen einer zu einer erleuchteten kapelle umgewandet war, worin zwischen einer verschwenderischen fülle von wachskerzen und ampeln priester im ornat und gardereiter in glänzendem harnisch den unter blumen verborgenen sarg des helden bewachten, Bukarest, wo er nur für einige augenblicke anhielt um die ehrenbezeigungen zu empfangen. aus der menge erhob sich ein herzzerreißender schrei und eine frau brach zusammen. ihr habt verstanden wer es war. als sie erwachte, mußte man sie fesseln.
seit damals sind dreiunddreißig jahre vergangen.
Pantazi klopfte die asche von seiner zigarette. Penas traurige geschichte machte uns nicht weniger vergnügen als ihm ihre unermeßliche schmach. Paschadia verabschiedete sich und stieg in die kutsche.
— weidmannsheil und glückliche reise, rief ihm Pirgu zu.
jetzt wankte Gorică und verhaspelte sich beim sprechen. es kostete ihn einige mühe uns zu berichten daß er gespielt hatte wie ein pfaffe, der verstorbene "Poker" in person hätte nicht besser gespielt.
— trotzdem bin ich hereingefallen, jammerte er, ich bin reingefallen und bekomme keine genugtuung. aber er wird es mir bezahlen, und teuer, dieser alte heuchler, ich werde ihn rupfen.
er drängte uns mit ihm zu gehen.
— kommt, herrschaften, forderte er uns auf, kommt, ich bringe euch zu keinem schlimmen ort. wir fragten ihn wohin?
— zu den Arnotenen, antwortete er, den echten Arnotenen.
nicht zum ersten mal beharrte Pirgu darauf uns dorthin zu bringen. um ihn loszuwerden, versprachen wir ihm, ihn zu jeder anderen zeit wohin auch immer zu begleiten, nur nicht an jenem abend. am Podul Mogoschoaiei trennten wir uns, Pirgu schlug den weg zur post ein, wir zur Sărindarstraße. die nacht war feucht und kalt, der nebel wurde immer dichter. ich überlegte gerade wie ich schneller nach hause gelangen könne, als mich Pantazi nach seiner gewohnheit bat bei ihm zu bleiben. war es noch möglich mich zu sträuben, wozu war ich ihm zuliebe nicht imstande? denn wenn ich vor Paschadia hochachtung hatte, für Pantazi hatte ich eine schwäche; die eine geht vom kopf aus, die andere vom herzen, und wie sehr man sich auch bemühen mag, das herz rangiert vor dem kopf. dieser sonderbare mensch war mir lieb, schon bevor ich ihn kennenlernte, es schien mir, daß ich in ihm einen freund seit jeher gefunden hatte und oft sogar mehr: ein zweites selbst.