Aus fremden sprachen: Algernon Charles Swinburne
HESPERIA
zweisprachige fassung

Aus dem goldenen westen, entlegen und wild, wo das meer ohne strand ist,

Voller abendsonne und wenn dann vor fülle der freude betrübt,

Wie ein wind mit dem herbst einsetzt; der weht her wo der sagen land ist,

Weht mit dem duft von traum und lied die ein knabe geliebt,

Weht von den kaps des einst übersee in die buchten des heute,

Erfüllt wie mit schatten von klang von unsichtbarer füße geschwirr,

Weit hinaus zu den bänken und engen der zukunft, durch wüste und weite,

Wendet dorthin die schwingen der wind? oder hierhin mein lieb zu mir?

Denn dich, in dem strom tiefen tidewinds den die wogen wiegen,

Dich erblick ich als vogel den stracks aus dem abend mir zu

Der westwind trug, über weiße wellen denen entstiegen

Ist Venus dir mutter, als noch die welt war ein wasser in ruh.

Gleich einem traum der bleibt nach dem schlummer, aus traumesfernen,

Verirrt von der flüchtigen herde der nacht, wenn der mond überm land

Bleicht hoch am bleichen und heillosen himmel, und zahllose sterne

Sterben in stille, verlöschen wie lampen die toten gebrannt,

Kehrt zu mir, bleibt bei mir, lullt mich mit hauch vergessener küsse

Ein warmer traum in feuer gehüllt wie vom leben das währt;

Dein entzückendes antlitz, der wind deiner locken, der laut deiner füße,

Und all das was an mädchen verlockt, und all das was ein mann begehrt.

Doch dein busen ist warm für mein antlitz und tief wie der kelch einer blüte,

Dein schweigen ein lied, deine stimme wie duft der als flamme verfließt;

Nicht ein traum, nicht ein traum ist der kuß deines munds, deine schenkende güte

Die was sünde war oder schande wäre vergessen mich ließ.

Deine augen so still, deine hände so zart, deine lippen so lebend,

Trösten und kühlen wie tau im traumlicht des monds der sich hebt;

Und mein herz schmachtet blöd und blind, strebt vergeblich zu dir hin, strebend

Wie der flutende tang mit der träge schwellenden flut treibt und strebt,

Schön wie rosen des lands, wie rosen im wasser in banden,

Die schwanken und schwingen wie langsam rollend die see kommt und geht,

Von luft und sonne geschieden, doch lebend, wie ein geist auferstanden,

Bleich wie die liebe die auflebt in mir wie ein geist der ersteht.

Aus dem spendenden endlosen westen, den stätten froher memorie,

Voll der erhabenen ruh und der wonne derer die tot,

Wo die inseln der seligen glühn in verklärter gesichter glorie

Und der laut einer see ohne wind sie umrauscht im abendrot,

Komm zurück und befrei und erlös mich von liebe die eine qual ist,

Die als flamme am fleisch mir klebt, bis die schlange ihr teil verzehrt',

Von den bitteren wonnen der nacht, und der lust die schändlich und schal ist,

Die des mannes jugend erstickt eh ihm wird was sein herz begehrt.

Dein mund kann nicht lachen dein auge nicht weinen bleich bist du wie linnen,

Bleicher und süßer als blätter worunter die knospe in hut;

Und der blüte herz ist erbarmen, und mitleid der kern darinnen,

Mitleid, nicht liebe, die seufzern entweht und verwest mit dem blut.

Wie das kreuz das die nonne brünstig umfing ihr ins fleisch gedrungen

So verletzt liebe den der sie faßt und brennt wie feuer sich ein;

Ich liebte im leben zuviel; wenn der knospe die blüte entsprungen

Ist die frucht davon bitter wie asche und tränen, und scham heißt ihr wein.

Die grüne knospe bricht auf wie ein herz das sein kummer zerstücket;

Wie das blut eines selbstmörders glüht die blume die lockt und verführt;

Und ihr duft ist wie gift und wein für das hirn, und berauscht und entzücket;

Und die dornen sind so daß ein jüngling sich sticht und ein mann sie nicht spürt.

Mein herz liebte zu früh sie, die rosen des ruhms und der liebe verlor es;

Einzig die blüten des schlafs und der wollust schmückten mein haar.

War aus mohn oder myrte dein kranz geflochten o meine Dolores?

War es blässe des schlummers, wars röte wie blutes die schön an dir war?

Denn gier ist ein aufschub der liebe, das fleisch nicht das herz entfacht sie;

Sie war süß einst für mich, der entfloh und entkam ihren raserei'n;

Der wie früher ich seh hinter mir wenn ich dreh — und grausamer lacht sie,

Berauscht wie von wein von verliebter blut — Unsre Fraue der Pein.

Tief unten wo's dickicht dichter bedornt als im sommer belaubt ist,

Im gestrüpp glühen augen und zischen zungen, ich kenn sie genau;

Wo vom glatten schlund ihrer schlangen umschlungen sie und umschraubt ist

Deren schaum ihre lippen kühlt und befeuchtet wie wüste der tau.

Wenn vom hunger und durst nach lust ihre schönen lippen auch bittern,

Vom faul-kalten schaum der schlangen erlächeln sie weich und rot;

Und ihr harter mund süßt sich, die augen sprühn und die wimpern flittern

Und sie lacht, einen zug von blut im gesicht, einen zug von tod.

Sie lacht, ihre hände fahrn hierher, ihr haar weht hierher mit zischen,

Einer fahlen flamme im wind gleich, beweht bis sie schaudert und springt;

Laß nicht wieder den giftigen kuß ihres munds meiner seele sich mischen,

Der sie lebend verzehrt und dir, Unsre Fraue des Schlafs, entringt.

Ah tochter von abend und schlummer, läßt jetzt sie sich wieder fangen

Wer soll sie nochmals erlösen? doch wir, wenn du willst, laß uns fliehn;

Laß besteigen uns, jetzt eh am weißen himmel der mond aufgegangen,

Flinke pferde der furcht oder liebe, entfliehn und entgehn dem ruin.

Sie sind flinker als träume, sind stärker als tod; sie zu reiten wüßte

Keiner auf seltsamen wegen des lebens wie wir so gut;

Über wiesen der andacht, durchs hochland der hoffnung, zur heimlichen küste

Wo das leben ungesehn brandet, als unsichtbar tönende flut;

Über sand wo die sorge hertrat, die salzlachen bitter und öde,

Das donnernde riff und den deich und der jahre kanal entlang

Jagen wild unsre rosse die nacht, drängen mühsam durch wonnen und nöte,

Mühn sich und lauschen und sind ob der not die sich nähert nicht bang;

Und der hall ihrer hufe spaltet die nacht inzwei wie mit pfeilen,

Und langsam am sandhügel, schnell bei der düne wo gras blitzt auf,

Plötzlich und stetig klingt die musik der acht hufe die eilen

Und donnert ins ohr des sacht-blinden nachtwinds bei unserm lauf;

Schrill gellt ins gesicht uns die luft, mild und blind, sonst still wie ein stummer,

Zum sturm angestachelt vom schwung unsres rasens, und taub wo wir still;

Unsre seelen auch glühn da wir fliehn, deine heil doch meine voll kummer,

Da wir glühn vom feuer der flucht; ah liebe, winkt sieg uns am ziel?

 

Algernon Charles Swinburne