Aus fremden sprachen: Algernon Charles Swinburne
ILICET
zweisprachige fassung

Ein ende haben freud und sorgen;

Frieden bei tag, bei nacht, am morgen,

Doch niemals lachen oder leid.

Des tändelns ende ist erschienen,

Das ende holder worte und mienen,

Aller ding end, schlafs ewigkeit.

 

Kein laut dort wo kein ohr ist offen

Kein platz für angst kein raum zum hoffen

Kein aug das weint kein mund der lacht.

Der jahre jagd ist ausgestanden

Nicht schmerz nicht lust wolln hier noch landen

Kein brocken von der jahre fracht.

 

Jenseits der zeiten und der welten

Wo dumm und weise gleichviel gelten,

Da wo der mörder rein von blut ist,

Kein end, kein anfang, kein durchmessen,

Wo sünder 's sündigen vergessen,

Da wo der gute mann nicht gut ist.

 

Dort hat nicht jed ding seine stelle

Sondern Bös sagt zu Gut: geselle,

Geselle, ich und du sind ein;

Sie solln nicht schrein und hadern immer:

Keiner soll zwischen wählen: nimmer

Soll dieses enden und das sein.

 

Winde die sterne und meer aufwühlen

Zerwühlen sie: sie werdens nicht fühlen;

Keiner der hinsank wird erstehn;

Auf ihren gräbern schwere platten

Auf allen stirnen liegt Ein schatten

Ein blindsein hindert alle am sehn.

 

Schlaf, ist es schlaf vielleicht auf allen

Den stirnen, sanft auf sie gefallen?

Lebt wohl; wie schläfer leben wohl.

Des grabes schlund verlacht mit höhnen

Verlangen und treu und traum und wähnen,

Der hölle weh des himmels wohl.

 

Kein herz wird zählen kein mund nummern

Namen und stamm von euch die schlummern;

Kein forschen findet sie heraus.

"Ich kenne" — wer sagt ich kenn wieder?

Da gibst kein hoch und gibts kein nieder:

Vorbei, vorbei, vorbei und aus.

 

Gut nacht, schlaft gut, ruht sanft ohn' sorgen

Ihr alle denen lacht kein morgen;

Die götter hören euer flehn!

Nein, wie solln sie sein wenn kein tod ist?

Nein, hilft der himmel denn? gebot ist:

Die welt und herrn der welt vergehn.

 

Die urne füllt sich unterm tauchen,

Die ränder, tief in asche, rauchen;

Des todes bleiche lippe blüht.

Soll diesem staub einst fleisch sich einen?

Soll einer lachen oder weinen

Der diese armen toten sieht?

 

Nein, wie du willst; 's bleibt unvernommen,

Dein vieles weinen wird nicht frommen,

Dein lachen ist umsonst gelacht;

Schrei laut, lang, laß nicht ab vom schreien

Stöhn bis die lungen sich entzweien,

Nicht ihrer einer je erwacht.

 

Kraut brennt mit glühn wein brennt mit zischen

Der flamme mund haucht züngelnd zwischen

Den weihrauch zierlich aufgereiht;

Umher trüb rote blüten schwelen

Blumen wie grell verflackernde seelen

Als zeichen der vergänglichkeit.

 

Ja, ihnen und dem tode spenden

Wir dinge die duften dinge die blenden,

Vergönnen wein und blume und kraut;

Ja, teurer gut als wein und blüten

Mit geld und gold nicht zu vergüten

Und frucht die nicht der winzer baut.

 

Aus knabenkehlen mädchenbusen

Tropft rot auf blutig rote rosen

Das köstlich helle sanfte blut;

Benetzt die flammen und die kräuter

Benetzt die blumen und die scheiter

Benetzt die blüte in der bluhd.

 

Rosen vom feuer fast ertötet

Trinken bis blatt um blatt sich rötet,

Der kelch in warmen tränen schwimmt;

Vom schlaf verschaffenden milden mohne,

Purpurner lust und duftes ohne,

Qualmt schlaf hoch, ob gleich Er nicht glimmt.

 

Warum denn weinen? warum nicht lachen?

Für die so schlafen die so wachen

Und sand der füllt und sand der fällt

Und rosentage, mohn der müden,

Blut, wein und kraut und feuer und blüten

Für alles ist ein end bestellt.

 

Wird ihrer einer liebe borgen?

Wird sich um deine sorgen sorgen?

Wird dankbar sein für wort und brot?

Ihr haß gleicht ihrer wohlgesinntheit

Das stirnband ihrer brau'n ist blindheit

Das armband ihres arms ist tod.

 

Sieh, weder donnerschlag noch blitzen

Wird diese leichentücher schlitzen;

Er der da nahm: ob er verteilt?

Er trennte sie: wird er vereinen?

Er band sie fest: löst er die leinen?

Er schlug sie: ob er sie auch heilt?

 

Ein wenig sorgen, ein wenig spaßen,

Das schicksal mißt mit staubigen maßen

Uns unsrer tage karge zahl;

Wir sind geborn in schmerz und leiden

Und vom geburtstag zum verscheiden

Ist unser leben leid und qual.

 

Der gürtet sich zu dienen einem

Der sohn des staubs ist und des kleinen

Darin des roten würmeleins.

Nicht trägt das frucht was einem blühte,

Vergeht ein mann stirbt seine güte,

Sie wird mit seiner bosheit eins.

 

An feuchten pfaden alter gärten

Im lenzlicht süße früchte härten;

Sie wissen nicht was welkt was schwillt;

Der sommer glüht bis zum letzten funken,

Sie wissens nicht; lang ist versunken

Der alten jahre und blumen bild.

 

Für sie, gefallen und gefangen,

Für sie, vergessen und vergangen,

Wach, schlaf nicht, gürte dich mit flehn.

Nein, ist das herz des zorns zerbrochen,

Der leib der liebte staub und knochen,

Wer soll dein rufen da verstehn?

 

Wankt auch die welt in ihren festen

Nichts weckt sie je aus ihren resten,

Das dröhnen von äonen nicht,

Nicht sterne und zeiten die noch kommen;

Nicht neuer menschen tränen frommen

Nicht alter götter lachen im licht.

 

Jenseits der jahre und nationen

Im schatten toter tage wohnen

Die hohen götter in geduld;

Kein ding ist ihnen zu verhehlen,

Ihr auge sieht worin wir fehlen,

Des Schicksals auge ihre schuld.

 

Das Schicksal ruht für sie mitnichten

Noch rührt es sie was wir entrichten

Noch steht der auf den einer nennt.

Das end ist mehr als freud und schmerzen,

Als leben in nöten leben in scherzen,

Schlafs ewigkeit, aller ding end.

 

Algernon Charles Swinburne