Ein ende haben freud und sorgen;
Frieden bei tag, bei nacht, am morgen,
Doch niemals lachen oder leid.
Des tändelns ende ist erschienen,
Das ende holder worte und mienen,
Aller ding end, schlafs ewigkeit.
Kein laut dort wo kein ohr ist offen
Kein platz für angst kein raum zum hoffen
Kein aug das weint kein mund der lacht.
Der jahre jagd ist ausgestanden
Nicht schmerz nicht lust wolln hier noch landen
Kein brocken von der jahre fracht.
Jenseits der zeiten und der welten
Wo dumm und weise gleichviel gelten,
Da wo der mörder rein von blut ist,
Kein end, kein anfang, kein durchmessen,
Wo sünder 's sündigen vergessen,
Da wo der gute mann nicht gut ist.
Dort hat nicht jed ding seine stelle
Sondern Bös sagt zu Gut: geselle,
Geselle, ich und du sind ein;
Sie solln nicht schrein und hadern immer:
Keiner soll zwischen wählen: nimmer
Soll dieses enden und das sein.
Winde die sterne und meer aufwühlen
Zerwühlen sie: sie werdens nicht fühlen;
Keiner der hinsank wird erstehn;
Auf ihren gräbern schwere platten
Auf allen stirnen liegt Ein schatten
Ein blindsein hindert alle am sehn.
Schlaf, ist es schlaf vielleicht auf allen
Den stirnen, sanft auf sie gefallen?
Lebt wohl; wie schläfer leben wohl.
Des grabes schlund verlacht mit höhnen
Verlangen und treu und traum und wähnen,
Der hölle weh des himmels wohl.
Kein herz wird zählen kein mund nummern
Namen und stamm von euch die schlummern;
Kein forschen findet sie heraus.
"Ich kenne" — wer sagt ich kenn wieder?
Da gibst kein hoch und gibts kein nieder:
Vorbei, vorbei, vorbei und aus.
Gut nacht, schlaft gut, ruht sanft ohn' sorgen
Ihr alle denen lacht kein morgen;
Die götter hören euer flehn!
Nein, wie solln sie sein wenn kein tod ist?
Nein, hilft der himmel denn? gebot ist:
Die welt und herrn der welt vergehn.
Die urne füllt sich unterm tauchen,
Die ränder, tief in asche, rauchen;
Des todes bleiche lippe blüht.
Soll diesem staub einst fleisch sich einen?
Soll einer lachen oder weinen
Der diese armen toten sieht?
Nein, wie du willst; 's bleibt unvernommen,
Dein vieles weinen wird nicht frommen,
Dein lachen ist umsonst gelacht;
Schrei laut, lang, laß nicht ab vom schreien
Stöhn bis die lungen sich entzweien,
Nicht ihrer einer je erwacht.
Kraut brennt mit glühn wein brennt mit zischen
Der flamme mund haucht züngelnd zwischen
Den weihrauch zierlich aufgereiht;
Umher trüb rote blüten schwelen
Blumen wie grell verflackernde seelen
Als zeichen der vergänglichkeit.
Ja, ihnen und dem tode spenden
Wir dinge die duften dinge die blenden,
Vergönnen wein und blume und kraut;
Ja, teurer gut als wein und blüten
Mit geld und gold nicht zu vergüten
Und frucht die nicht der winzer baut.
Aus knabenkehlen mädchenbusen
Tropft rot auf blutig rote rosen
Das köstlich helle sanfte blut;
Benetzt die flammen und die kräuter
Benetzt die blumen und die scheiter
Benetzt die blüte in der bluhd.
Rosen vom feuer fast ertötet
Trinken bis blatt um blatt sich rötet,
Der kelch in warmen tränen schwimmt;
Vom schlaf verschaffenden milden mohne,
Purpurner lust und duftes ohne,
Qualmt schlaf hoch, ob gleich Er nicht glimmt.
Warum denn weinen? warum nicht lachen?
Für die so schlafen die so wachen
Und sand der füllt und sand der fällt
Und rosentage, mohn der müden,
Blut, wein und kraut und feuer und blüten
Für alles ist ein end bestellt.
Wird ihrer einer liebe borgen?
Wird sich um deine sorgen sorgen?
Wird dankbar sein für wort und brot?
Ihr haß gleicht ihrer wohlgesinntheit
Das stirnband ihrer brau'n ist blindheit
Das armband ihres arms ist tod.
Sieh, weder donnerschlag noch blitzen
Wird diese leichentücher schlitzen;
Er der da nahm: ob er verteilt?
Er trennte sie: wird er vereinen?
Er band sie fest: löst er die leinen?
Er schlug sie: ob er sie auch heilt?
Ein wenig sorgen, ein wenig spaßen,
Das schicksal mißt mit staubigen maßen
Uns unsrer tage karge zahl;
Wir sind geborn in schmerz und leiden
Und vom geburtstag zum verscheiden
Ist unser leben leid und qual.
Der gürtet sich zu dienen einem
Der sohn des staubs ist und des kleinen
Darin des roten würmeleins.
Nicht trägt das frucht was einem blühte,
Vergeht ein mann stirbt seine güte,
Sie wird mit seiner bosheit eins.
An feuchten pfaden alter gärten
Im lenzlicht süße früchte härten;
Sie wissen nicht was welkt was schwillt;
Der sommer glüht bis zum letzten funken,
Sie wissens nicht; lang ist versunken
Der alten jahre und blumen bild.
Für sie, gefallen und gefangen,
Für sie, vergessen und vergangen,
Wach, schlaf nicht, gürte dich mit flehn.
Nein, ist das herz des zorns zerbrochen,
Der leib der liebte staub und knochen,
Wer soll dein rufen da verstehn?
Wankt auch die welt in ihren festen
Nichts weckt sie je aus ihren resten,
Das dröhnen von äonen nicht,
Nicht sterne und zeiten die noch kommen;
Nicht neuer menschen tränen frommen
Nicht alter götter lachen im licht.
Jenseits der jahre und nationen
Im schatten toter tage wohnen
Die hohen götter in geduld;
Kein ding ist ihnen zu verhehlen,
Ihr auge sieht worin wir fehlen,
Des Schicksals auge ihre schuld.
Das Schicksal ruht für sie mitnichten
Noch rührt es sie was wir entrichten
Noch steht der auf den einer nennt.
Das end ist mehr als freud und schmerzen,
Als leben in nöten leben in scherzen,
Schlafs ewigkeit, aller ding end.
Algernon Charles Swinburne